Geologie & Biologie: Pflanzenwelt

Seltene Pflanzen in der Weinheimer Gemarkung

von Dr. Ottmar Bauer

Für den botanisch Interessierten wirkt die überwiegend von Rebanlagen geprägte Landschaft rund um Alzey-Weinheim auf den ersten Blick uniform und eintöhnig. Dabei kann er in den geschützten Landschaftsgebieten, die zwischen den Agrarflächen angelegt wurden und im Randbewuchs der Weinbergen wahre botanische Raritäten entdecken. Hier ein paar Beispiele:

Hartgras

So bildet das nach der Roten Liste in seinem Bestand stark gefährdete Hartgras (Scleróchloa dura (L.) PB) an manchen Stellen richtige Teppiche aus, ist aber nach Mitte Juli schon wieder verschwunden.

Sommer-Adonisröschen

Vom ebenfalls stark gefährdeten Sommer-Adonisröschen (Adónis aestivális L) blüht in der Gemarkung gelegentlich auch die noch seltenere gelbe Form.

Osterluzei

Manchmal findet man auch noch die aus dem Mittelmeerraum stammende, früher als Arzneipflanze angebaute, und inzwischen verwilderte Osterluzei (Aristolochia clematítis L.)

Sommerwurzgewächse

Aus der Familie der Sommerwurzgewächse, die als Wurzelparasiten ohne Blattgrün auf verschiedenen Wirtspflanzen gedeihen – blühen noch vereinzelt die Amethyst-Sommerwurz (Orobanche amethýstea THUILL) und die Violette Sommerwurz (Orobanche purpúrea JACQ.) die besonders auf Schafgarbe schmarotzt. Beide Gewächse sind vom Aussterben bedroht.

Geologie & Biologie: Pflanzenwelt - Inhalt der Tafel

von Hans Lösch

Wildpflanze und Kultur

Es soll am Beispiel des Färberwaids betrachtet werden, inwiefern heimische Wildpflanzen das kulturhistorische Leben bestimmten und welche Spuren sich in unserer Region dazu finden lassen.
Der Färberwaid (Isatis tinctoria) ist eine zweijährige, krautige, wärmeliebende Lichtpflanze, welche von Mai bis Juni auffällige gelbe Blütenstände bildet. In Europa wurde er lange genutzt, um über ein kompliziertes Verfahren einen blauen Farbstoff, den Waid-Indigo, zu gewinnen. In der Hauptsache diente er zur Blaufärbung von Wolle. Das Habitat von Isatis tinctoria sind besonnte, trockene Rasen und Böschungen. In Rheinhessen kommt der Waid zerstreut vor, ein Weinheimer Fundort liegt bei der Poppenmühle. Die botanische Literatur betrachtet ihn als einen Neophyten, eine in historischer Zeit ausgewilderte Kulturpflanze. Dem muss klar widersprochen werden! Warum?

Rheinhessen: Eine Arche der Vegetationsgeschichte

Aufgrund geologischer und klimatischer Besonderheiten konnte sich gerade in Rheinhessen viel von dieser ehemaligen Flora halten. Unter anderem haben deshalb der Mainzer Sand und das Aulheimer Tal bei Botanikern einen bedeutenden Ruf. Es kann daher angenommen werden, dass der Färberwaid im Zuge der Bewaldung aus Deutschland nicht völlig verschwand. Gestützt wird diese Ansicht durch Textilfunde aus Mooren und Baumsärgen in Norddeutschland, Dänemark und Schweden, deren Alter bis in die Bronzezeit (1800 – 750 v. Chr.) reichen. Analytische Untersuchungen zeigten, dass in Europa schon damals die komplexe Kunst der Waid-Färbung beherrscht wurde. Aus Caesars Kriegsberichten wissen wir, dass keltische Stämme den Färberwaid für Textilfärbung, für Tätowierungen und als Kriegsbemalung nutzen.

Im Mittelalter nennt Hieronymus Bock (1539, 1577) u.a. Kreuznach als Fundort. Ob es einen rheinhessischen Anbau von Färberwaid gab, ist nicht überliefert, darf aber angenommen werden. Wir wissen, dass 1099 in Mainz und 1144 in Worms die ersten Tuchwebereien Deutschlands gegründet wurden. Das Färben der Wolle bzw. der fertigen Wollstoffe übernahmen die Webereien selber oder überließen dies den vor Ort ansässigen Färbern als Auftragsarbeit. Speyer besaß zu dieser Zeit sogar eine eigene Färberzunft. Es liegt nahe, dass auch der benötigte Waid-Indigo durch lokalen Anbau gewonnen wurde, zumal dessen Kultur vor der Haustür problemlos möglich war. Der Bezug aus wichtigen Anbauzentren wie Thüringen wäre zwar denkbar, aber durch den Transport und die damals zahlreichen innerdeutschen Zollgrenzen ein recht teures Unterfangen gewesen.
Die Produktion von Waid-Indigo war im Mittelalter ein äußerst einträgliches Geschäft.
Geerntet wurden die Blätter im Juni des zweiten Anbaujahres. Diese wurden in speziellen Nassmühlen kleingemahlen, der Pflanzenbrei zu sogenannten Waid-Kugeln geformt und getrocknet. Der Versand geschah in Fässern.
Der Anbau von Färberwaid erfuhr einen jähen Rückgang, als Ende des 16. Jahrhunderts die Portugiesen und Spanier große Mengen des indischen Indigos, ein Produkt der Pflanze Indigofera tinctoria, einführten. Das Blau dieses exotischen Farbstoffes übertraf an Leuchtkraft und Reinheit bei weitem die Möglichkeiten des heimischen Waid-Indigos. Die europäischen Anbauzentren wehrten sich mit drakonischen Maßnahmen. So bedrohte die Zunft der Nürnberger Blaufärber jeden mit der Todesstrafe, der indischen Indigo zur Blaufärbung nutzte. Vergebens.
Schon Mitte des 17. Jahrhunderts war der deutsche Indigo-Anbau unbedeutend geworden. Warum gerade für Rheinhessen kaum Informationen über den Anbau von Waid und dessen Ausmaß vorliegen, könnte an den grauenhaften Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges liegen. Ehemals so bedeutsame Städte wie Worms oder Oppenheim litten sehr und erlangten nie wieder ihre Bedeutung zurück. Viele Quellen und historische Belege wurden damals komplett ausradiert.